KLS aus der Perspektive der Mutter einer Patientin

Folgender Text ist von der Mutter einer jungen Patientin (geb. 2005) verfasst. Wie sich eine KLS-Episode für die Tochter anfühlt lesen Sie hier.

„Meine Tochter (geb. 2005) leidet seit einer Hirntumor-OP 2009 am Kleine Levin Syndrom. Wir haben die Diagnose erst im Sommer 2018 erhalten, vorher sind wir lange im Dunkeln getappt. Sie hat sehr viel Schweres durch, war noch lange beatmet und wurde künstlich ernährt, hatte viele Untersuchungen und es gab lauter verschiedene Diagnosen:

Da sie in den ersten Jahren, in der die Phasen auftraten, noch sehr viel erbrach (bis zu 40 Mal am Tag), hieß es, sie hätte das Acetonämische Erbrechen. Dann wurden migräneartiges Erbrechen und dann das Zyklische Erbrechen vermutet. Zuletzt hieß es, sie habe psychische Probleme und wolle bloß nicht zur Schule gehen. Das war für uns ein Schlag ins Gesicht, weshalb wir uns dann an Prof. Dr. Mayer in der Hephata Klinik in Schwalmstadt gewandt haben. Dieser hat auch endlich den Verdacht des Kleine Levin Syndroms bestätigt und uns sehr geholfen.

Die Episoden meiner Tochter haben sich über die Jahre verändert und gehäuft. Waren es erst alle 6-8 Wochen, in denen sie lag, sind es jetzt mindestens alle 2-3 Wochen, in denen sie für 7-8 Tage (manchmal länger) schläft. Sie baut dann ganz plötzlich ab, wird sehr weinerlich und ist sehr erschöpft. Manchmal klagt sie über Bauchschmerzen. Mir ist aufgefallen, dass meine Tochter vermehrt niest, wenn eine Phase bevorsteht. Sie schleimt stark aus Mund und Nase. Manchmal würgt sie, aber erbrechen muss sie gar nicht mehr. Sie will dann nur noch schlafen.. Da sie wegen eines Refluxes in diesen Phasen gar nicht flach liegen mag, schläft sie sitzend auf einem großen Sofa, hängt ihren Oberkörper auf stützende Kissen. So verbringt sie alle Tage der Episode.
In den ersten 2-3 Tagen schläft sie ca 22 Stunden am Tag. Sie ist so müde, dass sie es nicht mal alleine auf Toilette schafft. Auch anderweitige Körperpflege, Umziehen, eine Getränkeflasche öffnen usw klappt nicht alleine, da sie so müde und schlapp ist. Sie spricht gar nicht, manchmal jault sie kurz auf. Sie reagiert sehr geräusch- und lichtempfindlich, weint, wenn es ihr zu laut oder zu hell wird. Aber sie möchte unbedingt ihre Zeit im Wohnzimmer verbringen, wo das Leben um sie herum tobt. Außerdem lenkt sie sich durch Fernsehen ab, der dann quasi durchgehend läuft, obwohl sie nicht hinschaut. Sie möchte dann oft immer wieder den gleichen Kinderfilm laufen haben. Ich les ihr vor, aber auch da möchte sie oft Geschichten hören, die ich ihr als Vierjährige vorgelesen habe. Überhaupt ist meine Tochter absolut Verhaltensverändert. Nach diesen ersten starken Schlaftagen wird sie öfter mal wach und spricht in Ein- oder Zweiwortsätzen. „Mama, Durst!“ „Kalt.“ „Slafen.“ Also sie klingt wie ein Kleinkind und reagiert auch so. Sie braucht extrem viel Nähe, hält mich fest, will massiert oder gehalten werden. Dann stößt sie mich plötzlich wieder weg oder weint laut auf, weil sie schlecht geträumt hat.
Nach weiteren 2-3 Tagen geht leider erst der richtige Quälkram für sie los. Sie ist dann immer noch wie abwesend und sehr weinerlich. Aber meist leidet sie dann noch unter starken Rückenschmerzen wegen der ungünstigen Schlafposition und mag einfach nicht mehr krank sein. Sie wird dann sehr verzweifelt, kratzt sich den ganzen Rücken blutig oder beisst sich selbst den Mundraum eitrig. Manchmal schlägt sie gegen die Wand oder auf ein Kissen und ruft: „Ich will nis mehr! Ich kann gar nis mehr!“ Das ist sehr schwer. Sie weint dann manchmal stundenlang und ich bekomme sie kaum getröstet. Ich kann dann nur für sie da sein.
In den ersten Tagen einer Phase isst mein Kind gar nichts. Irgendwann möchte sie dann ganz bestimmte kleine Knabbereien haben, die sie sich dann ab und zu nimmt. (Gurkenscheiben, lange wollte sie nur Kaubonbons, es muss halt immer etwas ganz bestimmtes sein) Nach 7-8 Tagen wissen wir dann, dass es stündlich soweit sein kann, dass sie es geschafft hat. Ich merke das daran, dass sie ihre Decke nimmt und selbstständig damit in ihr Zimmer geht. Sie liegt dann in ihrem Bett und beschäftigt sich am Handy. Meist will sie dann später baden oder duschen.. und sobald das erste Lächeln kommt, weiß ich, es ist geschafft. Dann erholt sie sich minütlich und ist dann wieder ein ganz normaler und fröhlicher Teenager. Man merkt ihr dann nichts mehr von ihrer Erkrankung an.
Ausgelöst werden diese Phasen oft durch Aufregung (positiv und negativ). Ich kann mich an kein Weihnachten mehr erinnern, das sie gesund mit uns gefeiert hat.. Auch jeder kleine Infekt löst eine Phase aus (anders krank als in einer Phase kenne ich meine Tochter gar nicht. Sie hatte seit der OP nie „nur“ Fieber oder „nur“ Husten. Das kippte bei ihr immer direkt in einen Totalausfall.)
Außerhalb der Phasen läuft alles super, nur dass mein Kind nachts mindestens zehn Stunden Schlaf braucht, um morgens aus dem Bett zu kommen. Das frühe Aufstehen ist generell ein großes Problem, da sie sich dann schnell sehr abgeschlagen fühlt und auch eher wieder in eine Phase kommt, als wenn sie regelmäßig ausschlafen darf. Das bringt schulisch gerade einige Probleme (wir kümmern uns aktiv um eine Beschulung Zuhause) und ist für uns als Familie natürlich auch immer wieder eine Herausforderung.
Behandelt wurde mein Kind bisher mit Valproat, was kurzzeitig eine starke Verbesserung mit sich brachte (monatelange Pause zwischen den Phasen). Allerdings war dies nur von kurzer Dauer, dann wirkten die Medikamente plötzlich gar nicht mehr. Mein Kind nahm dadurch sehr stark zu und hatte davon keinen Vorteil mehr. Aktuell wird sie mit Lithium und Ritalin behandelt. Ob dies Erfolg hat, wissen wir noch nicht. (Bisher blieb es bei den regelmäßigen Ausfällen)
Bis es meiner Tochter besser geht, sorgen wir für möglichst viel Lebensqualität in den gesunden Zeiten! Ihre Worte treffen es am besten: „Ich will schließlich auch ein Leben haben!““

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